Die achtjährige Alina wird vermisst!
Cassie trifft auf Susanne, deren Tochter spurlos verschwunden ist. Rasch wird klar, die Kleine wurde
entführt. Es beginnt eine Suche gegen die Zeit. Während Cassandras Partner die polizeilichen Ermittlungen übernimmt, bringt sie ihre Hexenfähigkeiten ein. Visionen verbinden Cassies
mittelalterliches Ich mit der Gegenwart.
Negative Emotionen erschweren jedoch die Nachforschungen. Der neue Freund von Alinas’ Mutter ist
zeitgleich Cassies Ex und ihre besondere Seelenverbindung. Diese Konstellation ist prekär. Eifersucht vermischt sich mit Misstrauen, Sorge und Panik.
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Leseprobe:
Neubeginn?
Steil stieg der Hügel vor mir an. Der Untergrund war glitschig durch den Regen der vergangenen Nacht. Ich konnte mich kaum auf den geschundenen Füßen halten, war mit einer tiefen Schuld beladen, die schwerer wog als meine Schwäche und die Kälte in den Gliedern.
Unschuldige waren durch meinen Zauber gestorben. Meine Freundin Agathe und ihr Sohn Theodor! Ebenso die Schankdamen, die ihren Lebensunterhalt verdingen wollten! Da fand ich keinen Trost darin, dass ich Wilhelm Wilmsdorf und seine Männer ausgeschaltet hatte! Verbittert dachte ich an Johannes, meinen Liebsten, den ich zurücklassen musste. Er durfte niemals mit mir in Verbindung gebracht werden! Als Hexe war ich der größte Fluch nicht nur für ihn, sondern für die gesamte Menschheit!
Ich stolperte, fiel auf die Knie und grub meine Fingernägel in den Boden. Auf allen vieren bewegte ich mich fort. Seit Tagen hatte ich kaum getrunken, nur wenige Beeren gegessen. Ich wollte hinauf, bis an den Gipfel, um dort für mich die gerechte Strafe zu finden – einen Flug in den Tod!
Mein Blick verschwamm. Halb blind hangelte ich mich im aufgeweichten Boden weiter nach oben. Ich erkannte, dass mir die Kraft fehlte, um ganz hinaufzukommen. Unweit vor mir fiel eine steinerne Wand ab. Sie musste reichen! Halblaut murmelte ich ein Gebet:
»Vater unser,
der Du bist im Himmel,
geheiligt werde Dein Name,
Dein Reich komme,
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel,
so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute
und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unseren Schuldigern
und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.«
Keuchend gelangte ich an den Abhang. Vor meinem inneren Auge stieg das Bild meiner Ziehmutter empor. Ein kleines Weiberl mit schlohweißem Haar, das sie zu einem Knäuel zusammengefasst hatte. In ihrem Antlitz prangte ein Meer aus Falten, die unendliche Güte und Liebe ausstrahlten. Täglich war für mich in ihren wachen blauen Augen die Sonne aufgegangen. Unbeschwert durfte ich tief im Wald bei einer Frau aufwachsen, deren Alltag aus Kräutern und Gebeten bestand, die mir Glauben schenkten. Als Säugling war ich auf ihre Türschwelle abgelegt worden. Lange Zeit gab ich mich mit dem einfachen Leben zufrieden, kannte nichts anderes. Ich dürstete nach ihrem Wissen aus den Schätzen der Natur. So vieles verdankte ich ihr! Es war das Fundament für mein Wirken und meine Besonderheit, die ich erst so nach und nach realisierte! – Und die mich trotz allem zu Fall gebracht hatte.
Angeklagt als Hexe war ich knapp dem Wassertod entronnen. Ich hatte es zugelassen, dass sich die Energie in mir zu etwas Bösem formieren konnte.
In Gedanken sah ich meine Ziehmutter auf ihrem Sterbebett. Zu dieser Zeit zählte ich vierzehn Lenze, war äußerlich erblüht zu einer Frau, während sich mein inneres Kind ängstigte, bald allein sein zu müssen. Ahnungslos darüber, was mir mein Leben bringen sollte.
»Mathilda«, flüsterte meine Ziehmutter. »Auf vieles habe ich dich vorbereitet, auf die Magie und das Vertrauen in höhere Mächte, auf das Einssein mit der Natur und den Tieren. Nur eines konnte ich dich nicht lehren, wie es ist, dem Bösen zu trotzen. Es wird kommen, dich jagen, neidig sein auf dein Wissen und deine Einzigartigkeit – wer auch immer dich an meine Schwelle gelegt hat, wusste, dass deine Entwicklung absoluter Ruhe bedurfte. Leider vermag ich es nicht, dich länger zu schützen. Aber ich sehe und vertraue darauf, dass die Geistführer deine Schritte begleiten werden, damit du nach deiner Bestimmung Gutes bewirken kannst.«
Ich schluchzte, damals so wie heute. Gutes? Ich habe frommen Menschen den Tod gebracht! Dafür gab es keine Sühne!
»Bitte, erlöse mich von den Bösen«, wisperte ich matt in einem Anflug tiefster Reue. Vor meinen Augen tanzten schwarze Punkte. Mir wurde schwindlig, als ich den Abhang hinunterschielte. »Verzeih.« Ich beugte mich vornüber und verlor das Gleichgewicht.
Hart spürte ich den ersten Überschlag. Mein Rücken … mein Kopf! Schmerzerfüllt keuchte ich auf. Während des nächsten Überschlags verabschiedeten sich die inwendigen Qualen mit meinem Geist und machten mich frei …
Samstag, April 2022
»Neeeein!« Hastig setzte ich mich im Bett auf. »Mathilda! Was hast du getan?!« Mit wild pochendem Herz starrte ich in das nächtliche Schwarz. Hatte ich in meinem vorherigen Leben den Freitod gewählt?! Diese Sünde auf mich geladen und dem göttlichen Schöpfungsakt widersprochen? Zumindest zur damaligen Zeit. Nach christlicher Auffassung schenkte Gott den Menschen den Lebensauftrag. Sie besaßen kein Recht zu einem solchen zerstörerischen Eingriff, sondern bloß der Allmächtige durfte über Leben und Sterben entscheiden. Wenigstens wurden heutzutage Selbstmörder nicht mehr wie Aussätzige in ungeweihter Erde begraben. Eine Last weniger, die Hinterbliebene tragen mussten.
Oder gab es eine höhere, eine weitere Instanz? Mama Gertrude hatte von einem Seelenplan gesprochen! Wer hielt tatsächlich die Fäden in den Händen und lenkte, in welcher Art und Weise wir uns von dieser Erde verabschieden mussten? Ich war verwirrt. Damals wollte ich als Hexe Gutes tun, doch die Rache hatte mich Richtung schwarzer Magie getrieben. Unüberlegt. Damit haderte ich sogar im Jetzt, trotz des Bewusstseins, dass sich die Vergangenheit nicht mehr ändern ließ.
In diesem Leben werde ich mich von den dunklen Mächten fernhalten!!! Wobei, wie oft würden sie mich herausfordern? Unterschiedliche Energien mussten sich zwangsläufig aneinanderreiben, um einen Ausgleich zu schaffen. Weshalb konnten sie mir keine längere Verschnaufpause gönnen? Gerade jetzt, wo Philipp und ich ein Paar waren und ein süßes Geheimnis in mir heranwuchs!
Ein gruselnder Schauer jagte über meinen Rücken und ich verstand ihn als geheimen Wink, dass ich mich künftig gegen neue Hürden wappnen musste. Ich schaltete die Nachttischlampe ein, war allein, weil Philipp Nachtdienst hatte. Die Helle vertrieb langsam die düsteren Schatten in mir. Meine Augen glitten über den weißen Schreibtisch, dem weiß-braunen Schrank, zu der Kommode im selben Stil. Ich rutschte tiefer und mummelte mich fester in die Bettdecke ein, weil ich Philipp vermisste und mich so heimeliger fühlte. Seit einigen Wochen hatte er seinen Lebensmittelpunkt zu mir verlegt. Er suchte für sein Haus einen Untermieter. Obwohl er Jahre als einsamer Wolf gelebt hatte, fasste er rasch diese Entscheidung. Auch deshalb, weil sein Haus zu steril war und ihn vermutlich zu sehr an seine Ex, deren Betrug und das Fremdgehen mit dem besten Freund erinnerte. Außerdem hätte ich ungern mein Zuhause verlassen, allein schon wegen meiner Kräuter-Kellerstube, die in mein Leben gehörte. In diesem Raum lagen so viel Magie und Energie, ein Hauch von Oma Burgi, der mich sanft wie einen Mantel umhüllte, auch ohne ihre tröstende Stimme im Ohr.
Mama war zu Herbert gezogen. Ich fand es schön, wenn wir als Familie unmittelbare Nachbarn blieben, und uns unterstützen konnten.
Meine Hände wanderten zum Bauch. Erst vor fünf Tagen war ich beim Frauenarzt gewesen, der mir die siebente Schwangerschaftswoche bescheinigt hatte. Bei der Ultraschallaufnahme war ich Zeugin geworden, wie unermüdlich das kleine Herz schlug. Ich freute mich wie verrückt auf das neue Leben in mir!
»Na, mein kleiner Wurm, geht es dir gut? Du kannst dich darauf einstellen, dass wir eine ziemlich verrückte Familie sind. Ich hoffe, du hast dich bei meinem Traum nicht zu sehr erschrocken. Vielleicht liegt es an der Hormonumstellung, dass ich sensibler bin.« Zumindest war ich in den letzten Monaten von Träumen aus meinem alten Leben verschont geblieben.
»Oder … oder ist es doch eine Warnung?«
Mir wurde übel. Hastig schälte ich mich aus der Decke und stürmte ins Bad. Ein Würgen lauerte in meiner Kehle. Ich benetzte das Gesicht mit kaltem Wasser, nahm einen Schluck davon und spülte meinen Mund.
Tief atmete ich durch. Die Übelkeit ließ nach. Ich musterte mich im Spiegel, schwankte zwischen Freude auf mein Ungeborenes und dieser aufkeimenden Sorge. Instinktiv spürte ich, dass etwas in der Luft lag – eine schwere Energie, die mein Handeln erforderte. »Bitte, kann nicht eine andere Hexe für Ausgleich sorgen?«
Niemand antwortete mir. Oma blieb aus meinem Kopf verschwunden und befand sich unerreichbar in der Anderswelt. Ich nahm die Bürste, striegelte über die roten Locken, ehe ich sie zu einem Pferdeschwanz zusammenfasste. Ich wusste, dass ich meiner Intuition nicht entkommen konnte und ein Wegschieben die Situation eher verschlimmerte als verbesserte.
Demotiviert kehrte ich in das Schlafzimmer zurück, sah auf die Uhr. Fünf. Um neuerlich zu schlafen, war ich zu rastlos. Ich schlüpfte in Jeans und in ein T-Shirt, folgte dem Drang Richtung Kräuterstube. Ob ich dort Antworten finden würde, was auf mich – auf uns – zukommen sollte?
Ich entfachte eine weiße Kerze, deren flackernder Schein sich auf den Wänden spiegelte. Im Schneidersitz ließ ich mich auf den kuscheligen violetten Hochflorteppich nieder, der den kühlen Boden gemütlicher machte. Konzentriert visierte ich die tanzenden Schatten an.
»Ihr lieben Geister, Mächte des Guten, ich bin bereit und folge euch, wohin auch immer, um zu verstehen.«
Ich legte die Handrücken auf meinen Knien ab, führte die Daumen und die Mittelfinger aneinander und ließ meinen Atem im gleichmäßigen Rhythmus hinein- und hinausfließen. Diese Meditationsübung stammte aus dem Yoga und schenke mir die nötige Ruhe für mein Tun. Die Augenlider wurden schwer, bis ich sie sinken ließ und in meine Vergangenheit katapultiert wurde.